DStV, Mitteilung vom 29.05.2015
Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen, Neuregelungen
Im Oktober letzten Jahres veröffentlichte der Bundesfinanzhof (BFH) seine Entscheidung (Az.: VIII R 25/11) über den Entstehungszeitpunkt der Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen nach der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI). Er entschied entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung, dass erhaltene Anzahlungen für einzelne Leistungsphasen der HOAI, für die eine nachprüfbare Rechnung vorliegt, „endgültig verdient“ sind. Somit ist eine Bilanzierung einer teilfertigen Arbeit für einzelne abgeschlossene Leistungsphasen der HOAI nicht mehr möglich.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) teilt die Auffassung des BFH und hat das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht (BStBl. II 2014, S. 968). In seinem Schreiben vom 13.05.2015 an die Bundesarchitektenkammer hat das BMF zudem eine Übergangsfrist – entgegen erster Veröffentlichungen – für die Anwendung eingeräumt. Die Entscheidung ist erst ab dem Wirtschaftsjahr 2015 und damit nicht rückwirkend anzuwenden. Nach den Grundsätzen der Entscheidung kann der im Jahr 2015 entstandene Gewinn zudem gleichmäßig auf 2015 und 2016 oder auf 2015, 2016 und 2017 verteilt werden. Weiterhin führt das BMF aus, dass diese Regelung neben Abschlagszahlungen auf Grundlage der HOAI auch auf alle Abschlagszahlungen nach § 632a BGB anzuwenden ist. Demnach sind nunmehr alle bilanzierenden Unternehmen, die Abschlagszahlungen in Rechnung stellen, von dieser Regelung betroffen.
Diese Ansicht des BMF ist kritisch zu betrachten, da nach dem Realisationsprinzip Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag entstanden sind. Bei Werkverträgen tritt dieser erst im Zeitpunkt des Gefahrenüberganges also im Zeitpunkt der Abnahme des Werkes ein. Durch die Anwendung der Regelung durch die Finanzverwaltung wird zudem eine weitere Abweichung von Handels- und Steuerbilanz eingeführt, die zu einer Komplizierung in Kombination mit einem bürokratischen Mehraufwand führt und somit abzulehnen ist.
Ausführliche Darstellung der Neuregelungen zur Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen
So traf der Bundesfinanzhof (BFH) (Az. VIII R 25/11) mit Urteil vom 14. Mai 2014 eine Entscheidung zur Gewinnrealisierung von Abschlagzahlungen. Grundsätzlich tritt eine Gewinnrealisierung mit Leistungserbringung ein. Dies setzt bei Werkverträ- gen grundsätzlich die Abnahme voraus. Für Planungsleistungen eines Ingenieurs ist nach dem BFH-Urteil die Gewinnrealisierung bereits dann eingetreten, wenn der Leistende aufgrund einer Gebührenordnung (hier die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)) Anspruch auf eine Abschlagzahlung hat. Dieses führte bei den betroffenen Anwendern zu Ungewissheit und Anwendungsproblemen. Darüber hinaus stellt sich die Frage der Übertragbarkeit der Entscheidung auf ähnliche Anwendungsfälle. Im zu entscheidenden Fall hat eine KG, die ein Ingenieurbüro betreibt und ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, »unfertige Leistungen« i. H. von ca. 8,5 Millionen DM aktiviert. Die erhaltenen Anzahlungen i. H. von ca. 11 Millionen DM hat sie entsprechend passiviert, da sie mangels Planungsabnahme und Honorarschlussrechnung von einer Gewinnrealisierung nicht ausging. Das Finanzamt sah einen Teil der »unfertigen Leistungen« als wirtschaftlich erfüllt an und realisierte den Gewinn entsprechend unter Berücksichtigung von möglichen Planungsfehlern und Restarbeiten und einer entsprechenden Rückstellung. In der ersten Instanz entschied das FG Düsseldorf mit Urteil vom 12. April 2012, dass auch für Ingenieursleistungen die Abnahme des Werkes der für die Gewinnrealisierung maßgebliche Zeitpunkt ist und korrigierte den vom Finanzamt ermittelten Gewinn entsprechend. Aufgrund eines hier nicht weiter betrachteten Aspekts des Urteils ging die KG in Revision gegen die Entscheidung des Finanzgerichts. In der Revision vor dem BFH wies dieser die Klage der KG als unbegründet ab. Der 8. Senat führt dazu aus, dass die Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen bereits mit dem Entstehen des Anspruch auf Abschlagszahlung (hier nach § 8 Abs. 2 HOAI) eintritt. In diesen Fällen ist die Abnahme des Werkes sowie die Erstellung einer Schlussrechnung nicht von Bedeutung für die Gewinnrealisierung. Die bisherige Vorgehensweise mit Aktivierung von unfertigen Leistungen und Passivierung von erhaltenen Anzahlungen scheidet somit zumindest für die Leistungen aus, bei denen nach HOAI ein Anspruch auf eine Abschlagszahlung begründet ist. Diese Gewinnrealisierung tritt jedoch nur ein, sofern auch eine Abschlagsrechnung gestellt ist. Eine Realisierung ohne prüfbare Abschlagsrechnung ist durch das Urteil ausgeschlossen (Vgl. BFH, Urteil v. 14. Mai 2014 – VIII R 25/11 Rz. 12). In der Urteilsbegründung beschreibt der BFH grundsätzlich das Realisationsprinzip und wendet sich anschließend der Anwendung dieser Grundsätze bei Werkverträgen zu. Bei Werkverträ- gen folgt der Senat der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass es für die Realisierung von Gewinnen grundsätzlich der Übergabe bzw. der Abnahme des Werkes durch den Besteller bedarf. Dies gelte jedoch nur, »wenn die Wirkung der Abnahme für das Entstehen des Entgeltanspruchs des Unternehmens nicht durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werden« (BFH, Urteil v. 14. Mai 2014 – VIII R 25/11 Rz. 11). – Die HOAI sieht in zeitlichen Abständen zum Schutz der Ingenieure einen Anspruch auf Abschlagszahlungen vor. Die jeweiligen Teilleistungen müssen hierfür erbracht sein sowie eine Rechnung vorliegen. Dies ist laut BFH nun ebenfalls der Anknüpfungspunkt für die Gewinnrealisierung. Das Urteil führt sowohl in der Wissenschaft als auch bei den betroffenen Unternehmen zu Unsicherheiten. Dies begründet sich unter anderem damit, dass die HOAI im Jahre 2013 novelliert wurde und nunmehr die Schlusszahlung erst nach entsprechender Abnahme durch den Bauherren fällig wird. Durch die Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt ist die allgemeine Anwendbarkeit gegeben. Es fehlt bislang jedoch an der entsprechenden folgerichtigen Einschränkung, dass das Urteil mit der novellierten HOAI obsolet geworden ist. Die allgemeine Anwendbarkeit wird bei einigen Unternehmen zu erheblichen Problemen führen, da in der Projekt- und Liquiditätsplanung die zu leistenden Steuerzahlungen, ergänzt um das entstehende Zinsrisiko, nicht kalkuliert sind. Aus diesem Grund wird sich der BDI für eine Übergangsfrist einsetzen, um die aus dem Urteil resultierenden Risiken für die Unternehmen abzumildern. Abschließend stellt sich die Frage, ob das Urteil auch auf ähnliche Tatbestände anzuwenden ist. In einer Anmerkung einer Richterin des 8. Senats zum Urteil führt diese aus, dass die entwickelten Grundsätze auch Anwendung in allen Fällen von § 632a BGB finden können. Dieser versteckte Hinweis wirft weitere Fragen auf und zeigt die Notwendigkeit der Klarstellung durch das Bundesministerium der Finanzen auf.
Quellen: Deutscher Steuerberater-Verband e.V. / BDI